“If we hadn’t bought See’s, we wouldn’t have bought Coke. So thank See’s for the $12 billion. We had the luck to buy the whole business and that taught us a whole lot.” – Warren Buffett
Im ersten Teil sprach ich über die Gründe weshalb Warren Buffett den Pralinenhersteller See’s Candies kaufte und wie dieser Kauf seine Investment Philosophie langfristig veränderte. Obwohl See’s ein überaus erfolgreiches Investment für Buffett darstellte, gelang es ihm nie, See’s Candies über die Grenzen von Kalifornien hinaus beliebt zu machen. So begann Warren Buffett nach Unternehmen zu suchen, deren Produkte einwandfrei über Landes- und Kulturgrenzen „reisten“. Diese Suche führte ihn letztendlich zu Coca-Cola – seinem bis dahin größten Investment.
Hier geht es zum ersten Teil der Case Study.
Buffett investiert in Coca-Cola
Im Jahr 1988 begann Warren Buffett über seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway in Coca-Cola zu investieren. Über viele Monate kaufte er täglich rund ein Drittel des gesamten Handelsvolumens auf. Zwischen 1988 und 1989 erwarb er für $1.02 Milliarden rund 7 % der ausstehenden Coca-Cola Aktien. Dies entsprach zu diesem Zeitpunkt mehr als 25 % des Eigenkapitals von Berkshire Hathaway. Bereits damals war Coca-Cola eines der größten Unternehmen weltweit (Fortune 500 1989: Position 49; Fortune 500 2016: Position 62). Des Weiteren war Coca-Cola an den finanziellen Kennzahlen gemessen nicht besonders günstig, das KGV lag bei ca. 15 und das KBV bei 5. Somit war es kein typisches Buffett Investment – viele kritisierten ihn damals und warfen ihm vor, dass er zu viel bezahlt hätte.
Trotz all der Kritik war Coca-Cola ein überaus erfolgreiches Investment; der Wert von Buffets Anteils verzehnfachte sich innerhalb der ersten 10 Jahre von $1 Billionen auf $10 Billionen, man spricht hier von seinem sogenannten „Ten-Bagger“. Das entspricht einer jährlichen Rendite von 25,89 % vor Dividendenauszahlungen. Bis heute liegt die jährliche Rendite seit seinem Investment bei ca. 11,90 % vor Dividenden und damit knapp 2 % über der durchschnittlichen Rendite des S&P 500.
Deshalb stellt sich die Frage: Was sah Warren Buffett in Coca-Cola, was andere Investoren übersahen? Und wie war es möglich, dass ein bekanntes Unternehmen, über das sämtliche Informationen öffentlich einsehbar waren, zum damaligen Zeitpunkt unterbewertet war – das widerspricht der Theorie des effizienten Marktes. Diese Theorie besagt, dass sämtliche Informationen von den Marktteilnehmern rational bewertet werden und somit der Preis dem Wert eines Unternehmens entspricht. Dementsprechend ist eine überdurchschnittliche Rendite nahezu ausgeschlossen.
Warren Buffett hat seine Beweggründe für das Investment in Coca-Cola nie öffentlich geäußert. Doch folgende Gründe überzeugten ihn vermutlich damals von Coca-Cola und führten letztendlich zu dem Investment:
Ein einfaches Geschäftsmodell
Das Geschäftsmodell von Coca-Cola besticht durch Simplizität und Beständigkeit. Coca-Cola stellt lediglich den patentierten Cola-Sirup her und verkauft diesen wiederum an gebundene eigenständige Abfüller. Dementsprechend muss Coca-Cola kaum eigenes Kapital in neue Kapitalanlagen investieren. Ein solch kapitalleichtes Modell führt zu außerordentlich hohen Kapitalrenditen (Stand 2015: 26,3%).
Durch die effiziente und kostengünstige Herstellung sowie die einzigartige Marktstellung erreicht Coca-Cola eine Bruttomarge von 60 %. Die Rezeptur und der Herstellungsprozess des Sirups haben sich im letzten Jahrhundert kaum verändert. Das Unternehmen kann sich so finanziell ausschließlich auf das Marketing und den Vertrieb von Coca-Cola fokussieren. In meinen Augen gibt es so gut wie kein weiteres Unternehmen, das ein unverändertes Produkt über einen längeren Zeitraum vergleichbar erfolgreich vertreiben konnte.
Ein langfristiger Fokus
Bevor Buffett in Coca-Cola investierte, studierten er und sein Partner Charlie Munger die Geschäftsberichte des Unternehmens aus den letzten 80 Jahren. Dabei erkannten sie, dass das Unternehmen jedes Jahr mehr Sirup verkaufte als noch im Jahr zuvor. Diese außergewöhnliche Leistung gelang Coca-Cola trotz mehrerer negativer Ereignisse: der Erste Weltkrieg, die große Depression, der Zweite Weltkrieg, Öl-Schocks, die rasante Inflation in den 70er-Jahren, einige Rezessionen und der gezwungene Rückzug aus Indien. Dennoch verkaufte Coca-Cola jedes Jahr konstant mehr Sirup. Dieses Wissen führte Buffett und Munger zu folgenden Schlussfolgerungen: Es werden weitere Ereignisse folgen, die Coca-Cola negativ beeinflussen können. Trotzdem kann mit hoher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Coca-Cola in den nächsten 10, 20 oder 50 Jahren deutlich mehr Sirup verkaufen wird als zum Zeitpunkt des Investments. Mehr verkaufter Sirup führt so zu mehr Umsatz und dementsprechend auch zu höheren Cash Flows.
Ein einzigartiges Produkt
Durch sein Investment in See’s Candies erkannte Buffett das Potenzial eines differenzierten und einzigartigen Produktes. Die meisten Produkte sind sogenannte „Commodities“. Das bedeutet: Die Produkte sind ihrer Wahrnehmung und Qualität nahezu identisch. Der Preis ist der entscheidende Faktor für die Kaufentscheidung. Die Unternehmen konkurrieren auf der Basis des Preises. Jede Kosteneinsparung führt zu niedrigeren Preisen, davon profitieren die Konsumenten, jedoch selten die Unternehmen.
Unternehmen wie See’s oder Coca-Cola bieten ein differenziertes Produkt an, sodass sie sowohl ihre eigenen Preise regelmäßig anheben können als auch gegen Preissenkungen der Konkurrenten (gefühlte Preiserhöhung) resistent sind.
Nach meinem Wissen hat kein Produkt eine so diverse Kundengruppe wie Coke. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Vermögen wird Coca-Cola konsumiert. Nehmen wir beispielsweise das Vermögen als Maßstab. Wohlhabende Menschen reisen, wohnen, konsumieren und kleiden sich anders als weniger privilegierte Menschen. Für gewöhnlich gibt es in jedem Markt Standard-Produkte und Premium-Produkte, aber auch zahlreiche Produkte, die sich mit steigernder Qualität dazwischen positionieren. Selbst bei einem ordinären Produkt wie Wasser gibt es verschiedene qualitative Abstufungen. Bei Coca-Cola ist das anders: Coca-Cola stellt sowohl das Massenprodukt (niedriger Preis) als auch das Premium Produkt (höchste Qualität) dar.
Ein ausgezeichnetes Marketing
Buffett stellt sich vor einem Investment folgende Frage: „Wie viel Kapital benötigt ein Unternehmer, um ein bestimmtes Unternehmen zu reproduzieren?“ Wenn die Replikationskosten deutlich über der Marktkapitalisierung liegen, könnte das ursprüngliche Unternehmen ein attraktives Investment darstellen. Buffett und Munger kamen zu dem Schluss, dass selbst ein überaus talentierter Unternehmer mindestens $100 Milliarden benötigen würde, um eine bekannte und beliebte Marke wie Coca-Cola zu reproduzieren. Zum Zeitpunkt des Investments lag die gesamte Marktkapitalisierung von Coca-Cola bei $20 Milliarden.
Des Weiteren versteht es Coca-Cola wie kein anderes Unternehmen Marketing nicht (vorrangig) als Vertriebsmaßnahme zu nutzen, sondern baut damit eher eine emotionale Verbindung zum Konsumenten auf. Aus diesem Grund assoziiert Coca-Cola in ihren Werbemaßnahmen ihre Produkte immer wieder mit positiven Empfindungen wie Familiensinn, Liebe oder Freude. Durch diese kontinuierlichen Assoziationen ist Coca-Cola tief in unserer Gesellschaft und in unseren Köpfen verankert – Buffett spricht hier von „share of mind“. Unterbewusst verbindet man den Genuss einer Coke mit diesen positiven Empfindungen.
Ungenutzte Preismacht
1886 kostete 1 Liter Coke ungefähr 20 Cent. Als Buffett 1988/89 investierte, lag der Preis pro Liter ungefähr bei 40 Cent (heutzutage bei circa 80 Cent). Wäre der Preis von Coke im Gleichschritt mit der Inflation gestiegen, würde der Preis pro Liter heute bei mehreren Dollar liegen. Relativ wurde das Produkt Jahr für Jahr günstiger. Das bedeutet, dass sich das Preis-Leistungs-Verhältnis immer weiter zu Gunsten der Konsumenten verbessert hat. Kaum ein anderes Unternehmen hat die Möglichkeit über einen langen Zeitraum Preiserhöhungen unter der Inflation durchzuführen. Coca-Cola gelang es trotz dieser „Unterpreisung“ sowohl die Umsätze, Gewinne und Cash Flow als auch ihre Margen kontinuierlich zu steigern.
Dafür gab es drei Gründe: Erstens sind die jährlichen Kapitalaufwendungen aufgrund des einzigartigen Geschäftsmodells sehr gering (wie besprochen müssen die Abfüller für neue Anlagen, Maschinen etc. aufkommen). Zweitens profitiert Coca-Cola stark von Skaleneffekten. Je mehr Sirup sie verkaufen, desto besser ist ihre Verhandlungsmacht bei dem Einkauf von Rohstoffen. Allein zwischen 1978 und 1988 stieg die Bruttomarge von 43,8 % auf 55,6 %. Weitere zehn Jahre später lag die Bruttomarge bei unglaublichen 70,4 %. Drittens sind operative Kosten wie Forschung & Entwicklung und Marketing ab einer bestimmten Größe relativ fix. Insbesondere bei einem Produkt wie Coca-Cola, das über sehr viele Jahre gleich geblieben ist, sollten die Ausgaben für F&E nicht mehr proportional mit dem Umsatz steigen. Langfristig steigt somit die operative Marge.
Ein globales Produkt
Im Jahr 1988 wurden jeden Tag 0,548 Milliarden Portionen (0,25 L Einheiten) Coca-Cola-Produkte verkauft. Heutzutage verkauft Coca-Cola rund 1,8 Milliarden Portionen täglich. Coca-Cola wird weltweit in über 200 Ländern verkauft, um genau zu sein in jedem Land bis auf Kuba und Nordkorea.
Als Buffett investierte lag (und liegt) der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch von abgefüllten Getränken in weniger entwickelten Ländern weit unter dem Pro-Kopf-Verbrauch in der USA und Europa. Eine der zentralen Annahmen Buffett’s besagte, dass der Verbrauch in der Dritten Welt mit mehr Pro-Kopf-Einkommen rasant steigen wird. Bis dato behielt er mit dieser Annahme Recht.
Fazit
Ich denke, dass uns diese Case Study zwei wichtige Elemente des erfolgreichen Investierens lehrt. Zum einen sieht man, dass auch ein Investment in ein allgemein bekanntes und großes Unternehmen wie Coca-Cola zu einer überdurchschnittliche Rendite führen kann. Zum anderen zeigt das Investment, dass ein ambitionierter Investor den Fokus seiner Bewertung auf die fundamentalen Charakteristiken des Unternehmens legen sollte. Wenn er richtig im Bezug auf das Unternehmen liegt, wird die Aktie auf lange Sicht der Entwicklung des Unternehmens folgen.
Für alle Leser, die tiefer in das Thema einsteigen wollen, habe ich den Geschäftsbericht aus dem Jahr 1988 als Link angehängt. Beiliegend findet ihr auch eine interessante Analyse von Charlie Munger über das Geschäftsmodell von Coca-Cola.